Samstag, 8. März 2025
Hessenliga (5. Liga)
Heinrich-Sonnrein-Sportanlage, Hanau
1. Hanauer FC 1893 – VfB 1905 Marburg [2:1]
170 Zuschauer


Wo fängt man an, wenn man Hessens ältesten Fußballverein besucht? Am besten am Anfang! Was geschah da so alles vor 132 Jahren, im Jahr 1893? Einige Engländer gründeten die Labour Party, und wenn wir schon bei der Politik sind - in Leipzig wird der Spitzbart Walter Ulbricht geboren, der später als Machthaber des DDR-Regimes in die Geschichtsbücher eingehen wird. Trendbewusste Eltern taufen anno 1893 ihre Söhne meistens Karl und ihre Töchter Anna. Aber die wirklich wichtigen Ereignisse tragen sich in Hanau zu, genauer gesagt in der Gaststätte "Mohr" an der Krämerstraße. Zehn Männer treffen sich dort am Abend des 23. März, weil sie eine gemeinsame sportliche Leidenschaft teilten: Sie spielen gerne Fußball. Das ist zu Zeiten des Kaiserreichs beileibe noch keine Selbstverständlichkeit. Turnen, Fechten und Schwimmen - das gilt etwas unter Wilhelm II., aber bitte nicht dieses britische Gekicke. In England war der Sport in den 18vierziger Jahren in Mode gekommen, 1846 schrieben Studenten in Cambridge die ersten Regeln nieder. Uneinig waren sich die Sportler noch, ob der Ball nur mit dem Fuß, oder auch mit den Händen gespielt werden durfte - dieser Regelstreit führte 1863 zur Trennung von Fußball und Rugby und der Gründung der englischen Football Association. Von England schwappte der junge Sport auf den alten Kontinent. Es waren vor allem Studenten und Handwerker, die nach Besuchen auf der Insel das Spiel mit nach Deutschland und schließlich auch mit nach Hanau gebracht haben. Sie hatten mit ihrer Begeisterung auch die HFC-Gründerväter infiziert. Die Zehn jedenfalls setzten an diesem Frühlingsabend ihren Beschluss in die Tat um und gründeten einen Fußballverein - den 1. Hanauer Fußball Club 1893, den ersten hessischen Fußballverein! Es müssen weitsichtige Männer gewesen sein, schließlich ist ihre Gründung mittlerweile 132 Jahre alt und in bester Verfassung. Im Herbst des gleichen Jahres wurde übrigens auch der VfB Stuttgart aus der Taufe gehoben, dies aber nur als Randnotiz. Einen richtigen Fußballplatz allerdings gab es damals in Hanau noch nicht. In der Garnisonsstadt Hanau gab es damals nur eine Adresse, bei der man sich nach einem geeigneten, ebenen Gelände von ausreichender Größe erkundigen konnte, nämlich das Militär. Bei der örtlichen Kommandantur sprachen die Fußballer also vor und erhielten die Erlaubnis, ihren Sport auf einem Exerzierplatz auszuüben. Um die Disziplin dieser ersten Hanauer Fußballmannschaft dürfte es also vermutlich zum besten bestellt gewesen sein. Allerdings kann man das vom Vereins-Etat nicht behaupten. Als man 1894 in Berlin zum Endspiel um die erste Deutsche Fußballmeisterschaft gegen den späteren dreifachen Deutscher Meister Viktoria Berlin antreten sollte, konnten die Hanauer die Reise nach Berlin nicht bezahlen. Der erste Deutsche Meistertitel ging kampflos an die Viktoria. 1950 steigt der 1. Hanauer Fußball Club in die Landesliga Hessen auf, gewinnt mit einem Sieg gegen die Kickers Oxxenbach den Hessenpokal, drei Jahre später zieht das Team in die 2. Liga Süd ein. Man schlägt 1955 den Tabellenführer namens FC Bayern München, mit 4:1 und bekommt von der Sportpresse bescheinigt, die Münchner "glatt ausgespielt" zu haben. Heute bin ich also vor Ort, um mir persönlich ein Bild von diesem geschichtsträchtigen Verein zu machen. Heute spielt man nicht mehr auf einem Exerzierplatz des Militärs sondern auf der Heinrich-Sonnrein-Sportanlage. Benannt nach „Heini“, welcher zwischen 1930 – 1942 für seine Geburtsstadt spielte. Seine letzte Saison bestritt er in der Gauliga Hessen-Nassau. Mit seiner Mannschaft errang er 1935, 1936 und 1938 die Gaumeisterschaft und nahm infolgedessen an den jeweiligen Endrunden um die Deutsche Meisterschaft teil. Sonnrein bestritt zwei Länderspiele für die A-Nationalmannschaft und ist damit der bis heute einzige Spieler des 1. Hanauer Fußball-Club 1893, der für eine deutsche Nationalmannschaft zum Einsatz gekommen ist. Er fiel während des Zweiten Weltkriegs in der Schlacht um Monte Cassino, am 3. Februar 1944. So betrat man also, nachdem man 6€ gelatzt hatte andächtig das Terrain und erfreute sich an der bekannten und legendären Bierkastentribüne, welche in perfektionistischer Eigenleistung errichtet wurde. Im weiteren Rund gibt es viele versteckte Details zu erblicken, welche das Herz erfreuten. So strahlte ich mit der Sonne um die Wette und im Kellerduell gegen die Schimmelreiter des VfB 1905 Marburg konnten am Ende drei wichtige Punkte gegen den Abstieg eingefahren werden. Die Brüder Grimm-Stadt hinter mir gelassen, düste man schnell rüber nach Erlensee, wo ein weiterer Kick in der Gruppenliga Frankfurt-Ost auf mich wartete... 1. Hanauer FC 1893 – großes Kino mit freundlichen Menschen und einer ruhmreichen Geschichte!